Bewerbung von Fulda und Petersberg um das Europäische Kulturerbe-Siegel
Im Herbst 2020 hatte die Kultusministerkonferenz in Berlin die Bewerbung der Stadt Fulda und der Gemeinde Petersberg um das Europäische Kulturerbe-Siegel (EKS) zusammen mit einer weiteren Bewerbung aus Brandenburg bei der Europäischen Kommission nominiert. Anfang März 2021 mussten die Bewerbungsunterlagen in Brüssel abgegeben werden – und jetzt heißt es: Daumen drücken! Denn erfahrungsgemäß wird Brüssel am Ende nur für eine nationale Bewerbung grünes Licht geben ...
Der Titel der Bewerbung aus Osthessen lautet: „Fulda und Petersberg: Orte der karolingischen Bildungsreform“. Denn die einstige Reichsabtei Fulda und ihr Nebenkloster Petersberg spielen eine herausragende Rolle für die europäische Bildungsgeschichte. Ihre Vergangenheit hat zukunftsweisende Symbolkraft für die Entwicklung Europas. Daher haben die Stadt Fulda und die Gemeinde Petersberg ein aus verschiedenen Aktivitäten bestehendes Projekt ins Rollen gebracht, das vor allem junge Menschen für diese europäische Dimension begeistern kann.
Diese Dimension besteht vor allem darin, dass das Kloster Fulda mit seinem Lehrer und Abt Rabanus Maurus (Raban) die karolingische Bildungsreform im 8. und 9. Jahrhundert maßgeblich mitgestaltete. Fulda war Motor dieser Reform. Initiiert durch Kaiser Karl den Großen wurden mit ihr die herrschaftliche und kirchliche Organisation ausgebaut. Neue kulturelle Standards wurden angestrebt. Durch Kulturtransfer und Akkulturation gelang es mit Hilfe dieser Reform, unterschiedliche Völker im Raum Mitteleuropas friedlich miteinander zu vereinen.
Mitsamt Bibliothek und Skriptorium entwickelte sich Fulda zur bedeutendsten Klosterschule des rechtsrheinischen Gebietes; sie entzündete zugleich die Verbreitung von Grundwissen. Das Kloster legte die Fundamente für die Entstehung eines kollektiven Hintergrundwissens, das Europa bis heute verbindet (z. B. Rabans Enzyklopädie, Bibelkommentare und Gedichte bis hin zu seinen Schriften zur Klerikerausbildung, Grammatik und Kalenderberechnung – Überlieferung antiken Wissens – Etablierung der karolingischen Minuskel, die nach wie vor unser Schriftbild prägt – Verbreitung von Latein als Verkehrssprache u. v. m.). Die Schriften der fuldischen Gelehrten wie auch die Werke bildender Kunst gehören zu den bedeutendsten kulturellen Errungenschaften aus karolingischer Zeit und werden von der zeitgenössischen Wissenschaft und Kunst bis heute geschätzt, genutzt und weitergedacht.
Diese Bildungs-Entwicklung war nur möglich durch den grenzüberschreitenden Austausch mit Schülern, Gelehrten und Herrschern, den vor allem Raban intensiv betrieb. Er entfaltete damit Multiplikatoren-Wirkung.
Dies ist der Anknüpfungspunkt für die von Fulda und Peterberg geplanten Projektaktivitäten. Sie bleiben nämlich nicht bei der historischen Erzählung stehen. Vielmehr fragen sie danach, auf welche Weise Bewegungen wie die karolingische Bildungsreform und Menschen wie Raban für uns heute orientierend wirken können. Das Projekt will eine Identifikation mit dem gemeinsamen Kulturerbe möglich machen. Es verfolgt die Effekte, die Bildung damals, heute und in Zukunft für Mobilität, Fortschritt und sozialen Zusammenhalt in Europa hat. Das Gesamtprojekt steht deshalb unter das Motto „raban. Bildung in Bewegung“. Raban wird das Projekt daher als Identifikationsfigur begleiten.
Neben den in Fulda und Petersberg bereits bestehenden Angeboten bereiten mehrere Arbeitsgruppen aktuell die konkrete Umsetzung erster neuer Projektaktivitäten vor. Dazu zählt beispielsweise der Ausbau des Pfaffenpfades zwischen Petersberg und Fulda zu einem multimedial bespielten Bildungspfad, der die Funktionen von Leitsystem, Wissensvermittlung und Unterhaltung miteinander verbinden soll. Die virtuelle Rekonstruktion der mittelalterlichen Klosterbibliothek unter www.bibliotheca-fuldensis.de ist bereits nutzbar. In Planung befinden sich außerdem eine Broschüre, die noch im März vorgestellt werden soll, ein Kinderbuch, ein Ausstellungsbereich in der Neukonzeption des Vonderau-Museums und Themenführungen im einstigen Klosterbereich, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Website www.raban-europa.de wird stetig ausgebaut, um über den Fortschritt des Projektes auf dem Laufenden zu halten.